Vortrag von Giulia Sola am 16.12.2021

Vortrag verpasst? - Kein Problem!
Hier unser Bericht:
Missed the presentation? - No worries! Here you can find our report (english version)
Is Public Archaeology still Archaeology? Yes, it is!
Zu unserem Eröffnungsvortrag via Zoom am 16.12.2021 luden wir Giulia Sola, eine Doktorandin der Universität Wien, ein, um ein sehr spannendes Projekt in der südlichen Toskana zu präsentieren:
MOVING FROM RESCUE ARCHAEOLOGY TO SUSTAINABLE CULTURAL NETWORKS - AND GETTING AWAY WITH IT. THE CASE STUDY OF "LA BIAGIOLA".
Giulia studierte an der Universität von Turin Klassische Philologie, Archäologie und Alte Geschichte. Ihr Doktoratsstudium brachte sie zunächst an die Bangor University und schließlich nach Wien. Im Rahmen ihres Studiums nahm Giulia an zahlreichen Ausgrabungen und Surveys teil und ist nun selbst Teil des Teams der Ausgrabungsstätte "La Biagiola", Sovana (Grosseto, Italien), wo sie seit 2019 als Mitglied von BISA - "La Biagiola" International School of Archaeology arbeitet. Neben verschiedenen Anstellungen als Archäologin war Giulia im WS 2020/21 Mitglied des Organisationskomitees "G-SHARPSS Seminars" (School of History, Philosophy and Social Sciences, Bangor University). Seit 2020 ist sie in Italien eingetragene Lehrerin in den Fächern Italienisch und Geschichte.
Was ist Public Archaeology?
Public Archaeology ist eine noch sehr junge Disziplin, die ihre Ursprünge in den USA hat und dann in den 1990er und 2000er Jahren über England ihren Weg nach Europa fand. An und für sich geht es darum, sämtliche archäologische Tätigkeiten in ein größeres Netzwerk einzubinden und dabei die Öffentlichkeit zu integrieren. Das übergeordnete Ziel besteht darin, das kulturelle Erbe nicht nur zu erkennen und zu erforschen, sondern auch nachhaltig zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Status Quo
Die Erforschung und Bewahrung archäologischer Hinterlassenschaften ist natürlich nichts Neues. Es sind Universitäten, Museen und andere Institutionen im öffentlichen und privaten Sektor, die diese Aufgaben bisher erfüllen. Interessierte können ihr Wissen aus Büchern, Vorträgen, Dokumentationen und Museen beziehen. Auch wenn es viele Projekte gibt, bleibt eine aktive Teilnahme der Öffentlichkeit sehr reduziert. Sie kann eher als Konsumentin von archäologischen Gütern, d.h. Funden und Fundorten, sowie von archäologischen Kenntnissen und Fähigkeiten betrachtet werden. Einblicke in die Arbeit von Archäolog*innen sind ebenso eingeschränkt wie das Sammeln praktisch-archäologischer Erfahrungen bei Besuchen in Museen oder archäologischen Stätten, Bildungskursen und verschiedenen Formen des organisierten historischen Tourismus.
Was ist neu?
Public Archaeology bietet die Möglichkeit, alle Vorgänge, die mit archäologischen Gütern zu tun haben, genauer zu untersuchen, Prozesse und Interaktionen zwischen den Beteiligten aufzuzeigen und vor allem auch ein Verständnis für die wirtschaftlichen Aspekte der Archäologie zu entwickeln. Dabei sollen auch die Bereiche der Politik, der Wirtschaft und die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten berücksichtigt werden. Denn die Archäologie beeinflusst viele Bereiche und ist sehr komplex: Wo darf ausgegraben werden? Wer darf eine Ausgrabung durchführen? Wer zahlt dafür? Was geschieht mit den Funden? Wem gehören sie? Wie und wo werden die Funde der Öffentlichkeit präsentiert? Was bedeuten die Erkenntnisse für das historische Verständnis? Wie kann archäologisches Wissen vermarktet werden? Dies sind nur eine wenige Fragen, die es zu beantworten gilt. Deutlich wird, dass es zwischen den Bereichen durchaus zu Widersprüchen und Spannungen kommen kann - je nachdem, wo die Interessen liegen. Neben dem Ziel, diese Spannungen aufzuzeigen und Lösungen zu finden, kann Public Archaeology aber auch einen wertvollen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein für und die Bedeutung der Archäologie in der Öffentlichkeit zu fördern und damit das kulturelle Erbe nachhaltig zu bewahren.
"La Biagiola"
Im Jahr 2004 von der Gruppo Archeologico Torinese entdeckt, ist es seit 2012 der gemeinnützige Verein ACT (Associazione "Cultura e Territorio"), der mit den Ausgrabungen der archäologischen Fundstätte "La Biagiola" betraut ist. Gefunden wurden eine auf etruskischen Überresten errichtete römische Villa aus der Römischen Kaiserzeit, einige etruskische Funde, aber auch ein mittelalterlicher Friedhof mit Kisten- sowie Erdgräbern. Aus dem frühen 20. Jhdt. stammt eine Farm mit Stall und Schuppen.
Das Projekt zeigt gut, wie eine ländliche Region von einer archäologischen Ausgrabungsstätte profitieren kann und welche Rolle die Archäolog*innen dabei spielen können. Es geht dabei nicht nur um reine Kulturvermittlung, sondern um eine viel aktivere Rolle, die den Besuchern zukommt. Mittels Fragebögen und Interviews werden diese in den Prozess eingebunden, was im Übrigen auch für öffentliche und private Interessenvertreter*innen der Region gilt.
Mit der Gründung einer eigenen International School of Archaeology, einem mehrwöchigen Kurs, der sich speziell an Studierende richtet, besteht die Möglichkeit, unter Anleitung von ausgebildeten Archäolog*innen erste Erfahrungen bei archäologischen Ausgrabungen zu sammeln.
Zusammenfassung
Ohne Zweifel zeigt das Projekt "La Biagiola", wie umfassend Public Archaeology sein kann. Neben einer aktiven Kulturvermittlung an der Fundstelle und in der Region, wird weiter geforscht, Wissen vermittelt, werden lokale Betriebe zu neuen Produkten angeregt, was wiederum das Bewusstsein für das archäologische Erbe schafft, werden Kontakte zu den Behörden gefördert und Netzwerke geschaffen.
Inmitten all dieser Aktivitäten stehen Archäolog*innen, ausgebildete Experten, ohne deren Kenntnisse und Erfahrungen das Projekt gar nicht möglich wäre. Also ja, Public Archaeology ist definitiv ein Teil der Archäologie!
Danksagung
Ein herzliches Dankeschön gilt Giulia Sola, die dieses äußerst spannende Projekt vorgestellt hat und viele von uns zum Nachdenken, vielleicht auch Umdenken, gebracht hat. Auch Dr. Luca Mario Nejrotti, dem Projektleiter, möchten wir danken, dass er sich Zeit genommen hat, dem Vortrag beizuwohnen und Fragen zu beantworten.
Schließlich möchten wir uns auch herzlich bei allen Zuhörer*innen und der aktiven Beteiligung an der Diskussionsrunde bedanken. Vielleicht sehen wir euch bei der geplanten Exkursion in die Toskana? Wir halten euch auf dem Laufenden!
Literatur
Schadla-Hall, T. (1999). Editorial: Public Archaeology. European Journal of Archaeology, 2(2), 147-158. doi:10.1179/eja.1999.2.2.147
Moshenska, G. (2010). What is Public Archaeology?. Present Pasts. 1. 10.5334/pp.7.
Matsuda, A. (2004). The Concept of 'the Public' and the Aims of Public Archaeology. Papers from the Institute of Archaeology. 15. 10.5334/pia.224.
Weiterführende Links
https://www.summerschoolsineurope.eu/course/14310/la-biagiola-international-school-of-archaeology
